Die richtige Digitalisierung in Sozialämtern

Eine Person bedient ein Tablet an einem hellen Schreibtisch mit Unterlagen

Sozialämter stehen vor einem Wendepunkt: Die Zahl der Leistungsberechtigten und der Anträge steigt. Gleichzeitig stehen die Ämter vor strukturelle Herausforderungen wie dem demografischen Wandel, Fachkräftemangel und einer weiterhin heterogene IT-Landschaft. Der Brandbrief Berliner Sozialämter vom Januar 2025 hat diese Überlastung deutlich gemacht.

Die neue Regierung adressiert dieses Problem mittelbar im Koalitionsvertrag 2025 (Rn. 4442–4462) und kündigt eine umfassende Sozialstaatsreform an, mit dem Ziel, Leistungen bürgerfreundlicher, digitaler und einfacher zugänglich zu machen: "Ziel sind bürgerfreundlichere Leistungen aus einer Hand". Wichtige Impulse lieferte zuvor das Gutachten des Nationalen Normenkontrollrats „Wege aus der Komplexitätsfalle“ (2024), das eine radikale Vereinfachung, Bündelung und ein Aufeinanderabstimmen von Sozialleistungen fordert.

Es geht dabei nicht nur um Digitalisierung, sondern auch um einen besseren Zugang. Selten werden die Prozesse von Seiten der BürgerInnen gedacht. Das führt zu Problemen.

Zwischen Anspruch und Wirklichkeit: Der Status quo

Viele Sozialämter arbeiten weiterhin überwiegend analog. Insbesondere die Anträge auf Leistungen nach dem SGB XII – also Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sowie Hilfe zum Lebensunterhalt – werden oft papierbasiert gestellt. Digitale Antragsstrecken existieren nur vereinzelt, trotz OZG-Vorgaben. Das Problem: Die Zielgruppen verfügen häufig über geringe digitale Kompetenzen, was den Zugang zusätzlich erschwert. Dort wo es digitale Lösungen gibt, sind diese zusätzlich nicht auf die Zielgruppe zugeschnitten. So wissen Betroffene oft aufgrund der Komplexität des Sozialsystem nicht, ob sie etwa Bürgergeld, Wohngeld oder SGB-XII-Leistungen beantragen sollten.

Die Folgen: Einerseits werden aus den genannten Gründen oft analoge, falsche oder unvollständige Anträge gestellt. Dies führt zu langen Bearbeitungszeiten und unnötigem Verwaltungsaufwand. Andererseits sind bürokratische Hürden neben Stigmatisierungseffekten einer der Hauptgründe, dass Leistungen nicht in Anspruch genommen werden. Das ist bei den steigenden Armutsquoten mehr als bedenklich. Benutzerzentrierte Digitalisierung ist hier kein "Nice-to-have" – sie ist Voraussetzung für eine funktionierende Verwaltung und einen zugänglichen Sozialstaat.

Politischer Rahmen: Die geplante Sozialstaatsreform

Die Ampel-Koalition hat sich ambitionierte Ziele gesetzt: Mit der angekündigten Sozialstaatsreform soll das Sozialrecht digitaler, einfacher und transparenter werden. Der Koalitionsvertrag nennt explizit die Entkomplizierung der Antragsverfahren sowie den flächendeckenden Ausbau digitaler Zugänge als zentrale Maßnahmen.

Das Gutachten des Normenkontrollrats wird dafür ein wichtiger Impulsgeber gewesen sein. Es plädiert unter anderem für modulare Antragsstrecken, die auf Standardisierungen und gemeinsame Schnittstellen setzen. Auch die Idee eines nutzerfreundlichen digitalen Sozialkontos wird diskutiert.

Anforderungen an digitale SGB-XII-Anträge

Gerade im Bereich der Leistungen nach dem SGB XII braucht es digitale Lösungen, die auf die Lebensrealität der Betroffenen eingehen. Zentrale Anforderungen sind:

  • Benutzerfreundlichkeit und Barrierefreiheit: Anträge müssen ohne technische Hürden nutzbar sein – auch ohne eID oder komplexe Authentifizierungsverfahren.

  • Verständliche Sprache und Hilfefunktionen: Erklärtexte, visuelle Hilfen und einfache Navigation helfen, Fehlanträge zu vermeiden.

  • Lotsenfunktionen: Intelligente Abfragen unterstützen NutzerInnen dabei, die passende Leistung zu identifizieren.

  • Nichtförmlichkeit als Ermöglichung: Gemäß § 9 SGB X ist das Verwaltungsverfahren nicht an eine bestimmte Form gebunden – digitale Anträge sind also rechtlich zulässig, selbst ohne qualifizierte elektronische Signatur.

Nur wenn von den Möglichkeiten, welche Digitalisierung und SGBs bieten sinnvoll gebrauch gemacht wird, stellt Digitalisierung einen Mehrwert dar. Das führt dazu, dass BürgerInnen online Angebote auch aktiv nutzen und seltener auf die Formularvordrucke ausweichen.

Handlungsempfehlung für Kommunen

Wer die Digitalisierung im eigenen Sozialamt voranbringen will, sollte strukturiert vorgehen:

  1. Prozesse analysieren: Welche Leistungen sind besonders aufwändig? Wo entstehen Medienbrüche?

  2. Pilotprojekte starten: Mit niederschwelligen Angeboten beginnen – z. B. digitalem Wohngeldantrag.

  3. Fachabteilungen einbinden: Digitalisierung gelingt nur gemeinsam mit Sachbearbeitenden.

  4. Technologie strategisch wählen: Lösungen sollten modular, barrierearm und integrationsfähig sein.

  5. Partner suchen: Spezialisierte Anbieter wie LeistungsLotse bringen wertvolle Erfahrung bereits mit.

Jetzt handeln: So bringen Sie die Digitalisierung in Ihrer Kommune voran

Sie möchten auch in Ihrer Kommune digitale Anträge ermöglichen? Dann sprechen Sie mit unserem Experten Markus Poschenrieder. Er berät Sie praxisnah, individuell und mit dem Know-how aus erfolgreichen Projekten.

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Fazit: Benutzerzentrierte Lösungen helfen allen!

Die Digitalisierung der Sozialämter ist aufgrund der hohen Auslastung kein "Nice-to-have" mehr. Sie ist Voraussetzung für einen gerechten, effizienten und inklusiven Sozialstaat. Gerade für vulnerable Gruppen müssen digitale Angebote barrierefrei, verständlich und nutzungsfreundlich sein. Mehr online Nutzung und bessere Antragsanwendungen, führen zu einer besseren Antragsqualität und weniger Erfüllungsaufwand in der Sozialverwaltung.

Jetzt braucht es den politischen Willen und die operative Umsetzung vor Ort durch mutige Kommunen.

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